Lotty hat geschrieben:.
Wir haben hier eine kleine Umfrage erstellt um mal zu erfahren als was ihr ganz persönlich Transsexualität eigentlich seht, wie ihr es bezeichnen würdet. Ist es eine vollkommen normale Angelegenheit ohne jeglichen Krankheitswert, auch ohne Bedarf einer Behandlung oder wie steht ihr dazu? Bitte beteiligt euch umfangreich damit wir ein vernünftiges Bild eurer Meinung erhalten.
Gerne könnt Ihr auch einen zusätzlichen Kommentar für eine differenzierte Sicht hier lassen.
Vielen Dank für die Beteiligung
Zu deiner Kernfrage, Lotty
"Ist es eine vollkommen normale Angelegenheit ohne jeglichen Krankheitswert, auch ohne Bedarf einer Behandlung oder wie steht ihr dazu? "
möchte ich gerne einige Zeilen schreiben.
Für mich ist Transsexualität keine vollkommen normale
Angelegenheit. Vielmehr sehe ich es als eine Norm-Variante der Natur, eine sehr seltene Variante, wenn wir von einer wirklichen Transsexualität im ursprünglichen Sinn ausgehen. Für mich ist die tatsächliche Transsexualität auch keine "Angelegenheit", sondern eine naturgegebene Situation mit der die davon Betroffenen mehr oder weniger gut, mehr oder weniger erfolgreich, mehr oder weniger lang umgehen müssen, können und wollen.
Im Umkehrschluss bedeutet dies für mich keineswegs, dass von wirklicher Transsexualität Betroffene keine vollkommen normale Menschen wären. Sie sind ganz normal (wie immer man dieses "normal" definiert), nur fühlen, leben, denken, handeln, etc. sie gezwungenermaßen unter anderen Voraussetzungen wie ihre Mitmenschen dies im Allgemeinen tun - für einen individuell endlich langen Zeitraum ihres Lebens.
Transsexualität an und für sich ist zunächst ohne Krankheitswert; daher Norm-Variante. Überwiegend entsteht entsprechend der Ausprägung der Ablehnung der naturgegebenen Differenz zwischen der persönlichen Bodymap (Körperlandkarte) und der persönlichen Körperlichkeit ein psychischer Leidensdruck. Erst dieser Leidensdruck generiert den Krankheitswert und letztendlich aufgrund einschlägiger Begutachtung die Leistungspflicht unseres Gesundheitssystems.
Soweit meine Gedanken zu deiner Frage.
Zusätzliche Anmerkung:
Die Körperlichkeit ist naturgegeben; die wirklichen Ursachen der Transsexualität sind bisher unklar - besonders ob, wie, wann und wodurch die Differenz mit der Bodymap prenatal entsteht, sich postnatal weiterentwickelt und sich ins persönliche Bewusstsein bettet.
Wer sich von Transsexualität betroffen als ein "Geburtsfehler" ohne Not selbstbezeichnet, der sollte sich mal Gedanken um die Folgen einer solchen, als dämlich zu bezeichnenden, Erneut-Schubladisierung machen. Einer solchen Person nehme ich es nicht ab, dass sie sich ernsthaft mit der gewünschten Entpathologisierung beschäftigt hat bzw. sich nur soweit gedanklich bewegen kann, wie die eigene Nase lang ist. Die psychischen, ggf. daraus resultierend auch physischen Schäden alleine durch diese äußerst unglückliche Selbstbezeichnung sind unüberblickbar; möchte hier nur Depression oder Selbstverletzer einmal ins Bewusstsein rufen.
Insofern denke ich, dass deine 4-Punkte-Auswahl und deren Klammerausdrücke mehr als unglücklich gewählt wurden.
Bereits in der Wortwahl liegt der Leidensdruck verankert; und das Ansehen jener Betroffenen in der Öffentlichkeit. Es macht mich traurig zu sehen, dass du TS ggf. als Geburtsfehler betrachtest. Diese abwertende Bezeichnung sowie deren Synonyme würde ich, wenn davon betroffen, für mich ablehnen. - - Es sei denn, ich möchte damit ein ganz bestimmtes Ziel erreichen wollen ........
"Angeborene Anomalie" ist für mich eine wertneutrale Bezeichnung ohne absehbare Verunglimpfungsgefahr von außen; besser noch "natürliche Normvariante".
Zudem: Eine körperliche Anomalie schließt eine Situation ohne Krankheitswert nicht aus.
Somit führt eine nicht fachlich begutachtete (körperliche) Anomalie nicht zwangsläufig zu irgendwelcher Leistungspflicht seitens des Gesundheitswesens. Anderseits kann ein fachlich begutachteter Leidensdruck ohne erkennbare (körperliche) Anomalie durchaus zu dieser Leistungspflicht führen.
Wenn weiter oben zugestimmt wurde, dass Transsexualität eine naturgegebene Normvariante ist, dann hat Jene/r - gemäß deiner 4-Punkte-Auswahl - keine Chance dies als angeborene Anomalie zu sehen (wegen deiner Klammerausdrücke). Genau darum kämpf(t)en aber doch sehr viele von wirklicher Transsexualität Betroffene; sie möchten ihre naturgegebene Situation als Normvariante anerkannt sehen (in klarer Abgrenzung zu Trans-irgendetwas) und gleichzeitig ihre Chance der Leistungspflicht unseres Gesundheitswesens erhalten bzw. verbessern.
Dass ein Leidensdruck aufgrund der gegebenen Normvariante fachlich begutachtet sein muss, bevor die Leistungspflicht des Gesundheitssystems in voller Breite und Tiefe greifen darf, ist für mich selbstverständlich. Ebenso selbstverständlich für mich ist, dass nunmehr die Qualität der zugelassenen Begutachter/innen als auch die Breite und Tiefe der Leistungspflicht dringend verbessert werden muss.
Soweit erstmal einige meiner Gedanken beim Lesen dieser Umfrage
PS: Der Einfachheit wegen könnt ihr mich bei Bedarf gerne mit "Alex" ansprechen