Lotty, soweit liegst Du gar nicht von meiner Denkweise entfernt.
Weder ich noch Jürgen Vieten haben festgestellt, dass TS eine Krankheit ist. Die logische Schlussfolgerung daraus: Es gibt keine Diagnose "Transsexuell", da die Krankheit nicht existiert.
Dass das aktuelle System viel eher den Begriff 'Krankheit' verdient, als die 'Transsexualität' ist doch auch unbestritten.
Was die "psychotherapeutische Begleitung" betrifft, so sollte man strikt zwischen 'Begleitung' und 'Therapie'(=Behandlung) unterscheiden. Eine diagnosefreie Begleitung kann für die Einzelnen doch nur ein Vorteil sein. Man kann sie nutzen oder auch nicht.
Ich persönlich bin sehr froh, dass mir dieses Angebot zur Verfügung stand. Nicht weil ich 'instabil' oder ähnliches war/bin (meine Frau bezeichnet mich als einen der stabilsten Menschen, die sie kennt), sondern einfach um einen Ansprechpartner zu haben, mit dem ich auch über sehr persönliche Dinge reden konnte und der meine Sichtweise meiner Frau verständlich machte.
Also eine empfohlene Begleitung, keine Pflicht, jederzeit.
Interessanter wird es, wenn es um medizinische Versorgung geht. Es gibt in unserem allgemeinen Gesundheitssystem keine Behandlung ohne Diagnose. Keine Krankenkasse wird ohne gute Begründung, nur auf Wunsch auch nur einen Cent für eine Behandlung ausgeben. Kaum ein Chirurg wird z.B. eine GaOp durchführen, ohne sich abzusichern. Da reicht eine Selbstdiagnose des/der PatientIn definitiv nicht aus.
Was ist, wenn die Patientin nach 3 Jahren unglücklich ist, den Arzt verklagt, weil sie nachweislich zum Zeitpunkt ihrer OP-Einwilligung an Schizophrenie litt und deshalb unfähig war, die Entscheidung zu treffen? Die Einwilligung wird rückwirkend unwirksam und der Arzt steht im Regen.
Deshalb Indikationen oder Gutachten vor irreversiblen Eingriffen. Nicht um Transsexualität zu bestätigen, sondern um Seiteneffekte auszuschließen. Es spielt dabei keine Rolle ob der/die PatientIn sich sicher ist oder nicht, es bleibt seine/ihre Entscheidung. Es muss nur eine andere Krankheit ausgeschlossen werden, die die Entscheidung wesentlich beeinflussen könnte.
Es ist schon seltsam: Täglich wird in allen Bereichen freiwillig immer mehr und mehr der persönlichen Freiheit aufgegeben, nur um ein klein wenig mehr an Scheinsicherheit zu bekommen.
Geht es aber um die eigene Gesundheit, die körperliche Unversehrtheit (die man bestenfalls auch noch vom Staat garantiert haben will), da ist Sicherheit so was von nebensächlich, dass es schon fast schmerzt.
Noch ein klein wenig virtuelle Zahlenakrobatik:
TS geht zur KK und sagt: Ich brauch das und ihr zahlt jetzt. Es sind ja nur Kleinbeträge so zwischen 30.000 und bis zu 100.000 € für eine komplette Anpassung mit lebenslänglicher Medikamentenversorgung. Bei 1000 PatientInnen pro Jahr kommt da ein erkleckliches Sümmchen zusammen (30-100 Millionen vorsichtig geschätzt).
Im Gegenzug stehen dann aber auch 500.000 Patient_Innen Schlange, die dann die zu kleine/zu große Oberweite, die kurze/lange Nase, die Fältchen im Gesicht, 50gr Fett zuviel auf der Hüfte etc. etc. ebenfalls behandeln lassen wollen. Die auch sagen 'Ich brauche das..'. Und das Recht dazu hätten sie dann auf Grund des Gleichheitsgebotes. Also eine Verdopplung der derzeitigen Krankenversicherungsbeiträge dürfte nicht im Sinn der Allgemeinheit sein.
Natürlich gibt es auch Leute, die ihre Behandlung selbst zahlen und daher von der Solidaritätsgemeinschaft der Versicherten unabhängig sind. Jedoch brauchen auch diese zur invasiven medizinischen Behandlung eine Indikation/Diagnose, bevor ein Operateur tätig wird. Nicht einmal der "Thaigott" rührt sein Skalpell an, bevor nicht zu seiner Sicherheit ein Gutachten auf seinem Tisch liegt (auch wenn dieses eher Makulatur ist.. aber es muss vorliegen).
LG, Manuela