Trans in den USA - wirklich alles so böse?

Transsexualität in Medien, Kunst und Kultur.

Trans in den USA - wirklich alles so böse?

Beitragvon Vanessa » 22. Dez 2015, 14:18

Ich habe heute einen Artikel auf Feministing, einer US-amerikanischen Site, die dem Feminismus der vierten Generation (explizit transinklusiv) zugerechnet wird. In dem Artikel geht es in der Quintessenz darum, dass die (US-)Medien ein bestimmtes Bild von Transfürsprechern propagieren und verlangen, beispielsweise indem Cispersonen als Repräsentanten in Filmen und Serien hergenommen werden und dies dann als ganz besonders noble Tat dieser Personen angepriesen wird. Quasi so als würde ein Reicher einen Armen spielen und dann dafür gelobt werden, dass dieser sich so für die Armen einsetzt und ihnen eine Stimme verleiht. Gleichzeitig wird an diesem Vorgehen aber kritisiert, dass darüber viele der Probleme von Transpersonen nicht thematisiert werden und lediglich ein cisgefälliges Bild propagiert wird. So weit so gut, wer Interesse an dem Artikel hat, soll ihn einfach direkt lesen. Mir geht es dabei um einen spezifischen Absatz, der mir gezeigt hat, dass es keineswegs so ist, dass in den USA einheitlich in eine Kerbe, nämlich die hier so verpönte Trans*-Kerbe, geschlagen wird, sondern durchaus auch Kritik an der Kritik geübt wird, dass Transpersonen, die ein Passing suchen und sich binär verorten, nur das böse cisnormative System bewahren, das es zu stürzen gelte. Also auch in den USA gibt es da unterschiedliche Meinungen und auch die ganz normalen Transsexuellen, die sich einfach nur als Mann oder Frau begreifen. Man darf dabei nicht vergessen, dass es sich bei Feministing um keinen kleinen Fisch handelt. In den USA ist das eine *der* feministischen Sites, die sich auch ganz offen und entschieden für Transbelange einsetzen und natürlich auch entsprechend betroffene Autoren haben. Ich möchte also im Wesentlichen einfach mit dem Klischee aufräumen, dass der "Transgender-Trend" einheitlich dem US-amerikanischen Einfluss geschuldet ist. Auch dort gibt es differenzierte Sichtweisen.

Hier noch der betreffende Absatz als Zitat:
The article has been cited a number of times throughout the press, including at Cosmopolitan, because it features Soloway coming out about her relationship with author Eileen Myles. What has not been covered are Myle’s comments that are also full of thinly veiled swipes at trans people as upholders of traditional oppressive gender roles and comments undermining trans people’s need to exist. Levy quotes Myles describing herself as “recoiling” when hearing a normatively presenting trans man refer to his “lovely wife, “because [of] that traditionalist take on gender—which I’ve heard from trans women as well as trans men.” Myles comments are used to blame trans people for upholding the traditional gender binary, despite the fact that they face extreme oppression and violence because they are seen to fall outside traditional notions of gender. This is followed by Myles’ comment about not needing to transition to living as a trans man and being “the gender Eileen.” Myles can certainly identify any way she wants, but the positioning of these comments makes them fall into a long transphobic feminist tradition of questioning the need to transition. And these sorts of comments are too often celebrated in the media without clarification – as in the case of Ruby Rose, for example – in a way that contributes to delegitimizing other’s need to transition.

Deutsche Übersetzung:
Der Artikel wurde mehrfach in der Presse zitiert, auch in der Cosmopolitan, weil er Soloways Coming-out über ihre Beziehung mit Eileen Myles enthält. Worauf er nicht eingeht, sind Myles Kommentare, die voll von kleinen bissigen Bemerkungen sind, die Transpersonen als Bewahrer von traditionellen unterdrückenden Geschlechterrollen bezeichnen, und die die Notwendigkeit der Existenz von Transpersonen [als gesellschaftlich sichtbares Phänomen] untergraben. Levy zitiert Myles als "zurückschaudernd" als sie gehört hatte, dass ein sich normativ präsentierender Transmann von seiner "lieben Ehefrau" sprach, "wegen des traditionellen Rollenverständnisses, das ich sowohl von Transfrauen als auch von Transmännern mitbekommen habe". Myles Kommentare werden genutzt, um Transpersonen zu beschuldigen, das traditionelle binäre Geschlechterverständnis hochzuhalten, obwohl sie extreme Unterdrückung und Gewalt erleben, weil sie als von dem traditionellen Verständnis von Geschlecht abweichend gesehen werden. Dem folgt ein Kommentar von Myles, dass eine Transition unnötig sei um als Transmann zu leben und das Geschlecht "Eileen" zu sein. Myles kann sich sicherlich in jeglicher Weise wie sie möchte identifizieren, aber die Einstreuung dieser Kommentare lässt sie eine lange transphob-feministische Tradition fortführen, die die Notwendigkeit einer Transition in Frage stellt. Und diese Art von Kommentaren wird zu häufig in den Medien ohne nähere Erklärungen gefeiert - wie z.B. im Fall von Ruby Rose - in einer Weise, die dazu beiträgt, die Notwendigkeit anderer zu transitionieren zu delegitimieren.

In den USA gibt es also ganz ähnliche Probleme wie hier in Deutschland. Ich bleibe also bei meiner positiven Haltung gegenüber dem US-amerikanichen Feminismus der vierten Generation, der sich auch ganz klar für die Belange von transsexuellen Menschen (nach unserer deutschen Definition) einsetzt und diese nicht unsichtbar machen will. Und das sage ich als jemand, der in vielerlei Hinsicht sehr USA-kritisch eingestellt ist.
Vanessa
 
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Re: Trans in den USA - wirklich alles so böse?

Beitragvon tilly » 22. Dez 2015, 15:57

Tja, mal andersherum,

Vermutlich erfährt der Transgender-Mainstream in den Staaten auch nicht viel von uns.
Aber ich finde es sehr schön zu erfahren, dass es auch dort Menschen gibt die sich als, im falschen Körper, begreifen.

Mit liebem Gruß Tilly
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