Warum es keine Geschlechtsidentität gibt!

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Re: Warum es keine Geschlechtsidentität gibt!

Beitragvon Vanessa » 8. Feb 2016, 22:38

Rosi hat geschrieben:warum kann man das nicht "Geschlecht" nennen?
Also im Ausweis steht ja nur Geschlecht und nicht Geschlechtsidentität. Der Begriff, den man am Ende im Alltag zwischen aufgeklärten Menschen verwendet, wäre nur Geschlecht. Geschlechtsidentität sehe ich eher als Erklärungsbegriff, um vor allem auch zu differenzieren von körperlichen Merkmalen, um beispielsweise herauszustellen, dass man trotz männlicher Körpermerkmale eine Frau ist. Ja, es gibt echt unzählige Ebenen, auf denen die Begriffe teils überflüssig, teils von zentraler Bedeutung sind. Der Kontext ist entscheidend und wir bewegen uns hier insgesamt im Forum oft in sehr unterschiedlichen Kontexten, was auch dann schnell zu Missverständnissen führt.

Rosi hat geschrieben:Wenn Du aber bei "Rollenidentität" einräumen kannst, dass eine Rolle gespielt wird, warum kannst Du dann bei "Geschlechtsidentität" nicht ebenso einräumen, dass Geschlecht gespielt wird?
Spielen bezieht sich ja auf Rolle und nicht auf Identität. Man spielt eine Rolle. Eine Rolle spielen ist eine Handlung, die man auch ohne tiefere Überzeugung tun kann. Eine Geschlechtsidentität zu haben bezieht sich jedoch auf eine tiefe Überzeugung und keine Handlung.
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Re: Warum es keine Geschlechtsidentität gibt!

Beitragvon Rosi » 8. Feb 2016, 23:07

Vanessa hat geschrieben:[......Spielen bezieht sich ja auf Rolle und nicht auf Identität. Man spielt eine Rolle. Eine Rolle spielen ist eine Handlung, die man auch ohne tiefere Überzeugung tun kann. Eine Geschlechtsidentität zu haben bezieht sich jedoch auf eine tiefe Überzeugung und keine Handlung.

Ich glaube nicht das eine Mutter ihre "Mutterrolle" spielt.
Oder ist das dann eine "Mutter-Identität"?

;-)
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Re: Warum es keine Geschlechtsidentität gibt!

Beitragvon Vanessa » 8. Feb 2016, 23:19

Erfüllt denn eine Mutter, die sich nicht "mütterlich" verhält, ihre "Mutterrolle"? Ich würde sagen, nein. Dennoch ist sie eine Mutter, einfach weil sie ein Kind bekommen hat, auch wenn sie es direkt danach zur Adoption abgegeben hat. Aber letztlich ist das, was wir jetzt betreiben, auch nur noch bloße Wortklauberei.
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Re: Warum es keine Geschlechtsidentität gibt!

Beitragvon Rosi » 9. Feb 2016, 15:33

Hallo Vanessa,

für Dich mag es vielleicht bloße Wortklauberei sein, für manche sogar nur Wortglauberei, doch setzte ich mich
schon mit den Begriffen und ihren Inhalten auseinander. Da stecken ja auch Verständniswelten dahinter und
es wird weit mehr transportiert, als bloß eine Bezeichnung für etwas.

Hinter "Geschlechtsidentität" steht praktisch die genitalbasierte Geschlechtsdeutung von Menschen. Das
entwickelte sich dann soweit, dass Menschen, die sich daran nicht störten, das ganz toll fanden, oder es
nicht erkannten, "Transsexualität" dann in "Transidentität" umbenennen wollten.

Aus dem guten Ansatz, dass der Mensch nicht sein Körper, sondern sein Geist, seine Persönlichkeit ist,
wollte man dieses "Identitäre" einbauen. Offensichtlich sah man dabei wohl den Wald vor lauter Bäumen nicht,
da diese Denkweise dann von "Trans-Identität", die genitale Geschlechtsdeutung ja voraussetzt, Geschlecht
als wechselbar erklärt wird und Geschlecht fast eine Beliebigkeit unterstellt wird. Eine natürliche biologische
Vorgabe fiel damit unter den Tisch und wurde ausgesperrt.

Ich bin überzeugt davon, dass in einigen Jahrzehnten, wenn es insgesamt angekommen und verstanden ist,
dass der Mensch tatsächlich "nur" sein Geist, seine Persönlichkeit" ist, alle körperlichen Merkmale, egal welche,
auch die geschlechtlichen, halt auch einfach nur noch "körperliche Merkmale" sind. Die Dinge, die das Individuum
in Leben und Denken betreffen, dann auch als solches akzeptiert und anerkannt sind.

Da wird dann die geschlechtliche Aussage eines Menschen als "Geschlecht" anerkannt und nicht über einen
Umweg über die Körperdeutung nur als "Geschlechts-Identität" betrachtet werden.

Und auch etwas muss deutlich werden. Es liegt in der Verantwortung eines jeden für sich selbst, ob er sich
über Selbstlügen Personifiziert. Es ist nicht Aufgabe der Gesellschaft diesbezügliche Prüfungen durchzuführen.

Wer also auch heute sein "Geschlecht" über seine "Rollen-Identität" bestimmt (manche machen das auch alleine
aufgrund des "Geschlechts-Wissen" oder ihres "geschlechtlichen Wesens"), kann damit authentisch und in
letzter Instanz seinem Wesen entsprechend (und daraus initiiert) richtig liegen. Er kann aber auch andere
Faktoren, die er eben über diese Rollen geschlechtlich transportiert, sein "Geschlecht" bestimmen oder benennen.
Wenn sich dann jemand über seine Sklaven-Rolle, als demütig weiblich identifiziert und deshalb sein "Geschlecht"
als weiblich erklärt, dann entspricht das seiner Persönlichkeit. Und weil wir als Menschen eben mit und über
Persönlichkeit sprechen und nicht mit und über Körper, ist das so in Ordnung und rückt das in den Mittelpunkt
was auch dort hin gehört: Den Menschen.

Rosi
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Re: Warum es keine Geschlechtsidentität gibt!

Beitragvon Vanessa » 9. Feb 2016, 16:34

Rosi hat geschrieben:Hinter "Geschlechtsidentität" steht praktisch die genitalbasierte Geschlechtsdeutung von Menschen. [...] "Trans-Identität", die genitale Geschlechtsdeutung ja voraussetzt, [...]
Das verstehe ich nicht. Wieso ist Geschlechtsidentität jetzt genitalbasiert? Ist das einfach eine Feststellung, wie aktuell Geschlecht in der Gesellschaft betrachtet wird? Und selbst wenn das so wäre, dann träfe das doch auf "Geschlecht" allein (ohne "-identität") gleichermaßen zu, oder nicht? Da besagt doch das "-identität" viel mehr, dass es sich nicht um etwas Körperliches sondern etwas Geistiges handelt (das durchaus auf körperlichen Faktoren beruhen kann).

Ich stelle jetzt auch mal drei Fragen:

1. Was ist das Problem?
2. Welche Lösung siehst du?
3. Was soll erreicht werden?

Kannst du das kurz und knackig in möglichst einfachen Worten beantworten? Ich weiß, dass das alles schon irgendwie irgendwo in deinen langen Ausführungen stecken mag, aber besonders ratlos bin ich bei Frage 1. Es kommt mir halt so vor als ob du mit einer Lösung um die Ecke kommst, und gar nicht sagst, wofür diese Lösung eigentlich nützlich sein soll.
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Re: Warum es keine Geschlechtsidentität gibt!

Beitragvon Rosi » 9. Feb 2016, 17:16

Ich probier´s mal, Vanessa:

Vanessa hat geschrieben:1. Was ist das Problem?

(Das Wichtigste weil einige dann auch Folgeprobleme davon sind)
  • Das Menschen eine gestörte Persönlichkeit in Form "abweichender Geschlechtsidentität" bzw. "Störung der Geschlechtsidentität" zugeschrieben wird.
  • Das Geschlecht an den körperlichen Merkmalen festgemacht wird.
  • Das Geschlecht als änderbar betrachtet wird.
  • Das Geschlecht ohne angelegten vorgegebenen Faktor betrachtet wird.

Vanessa hat geschrieben:2. Welche Lösung siehst du?

Über die klare Kommunikation mit den richtigen Begriffen die entsprechenden Verständniswelten zu erzeugen.

Vanessa hat geschrieben:3. Was soll erreicht werden?

Geist und Persönlichkeit muss als konsequent maßgeblich in den Selbstaussagen, Taten und Beschreibungen von Menschen gesehen werden. Der Körper
weist eigene Merkmale auf, dient praktisch nur als "Behälter" von Geist und Persönlichkeit.

(betrachtungsabhängig könnten die Antworten auf die Fragen 2 und 3 auch getauscht werden)

Vanessa hat geschrieben:Ich weiß, dass das alles schon irgendwie irgendwo in deinen langen Ausführungen stecken mag, ...

Würde ich so behaupten wollen, ja



Ach, und .... auch nochmal deutlicher und separat:

"Geschlechtsidentität" basiert deshalb auf einer genitalen Geschlechtsbetrachtung, weil wenn das nicht der Fall wäre, man vom "Geschlecht" anstatt
von "Geschlechtsidentität" sprechen könnte - einfach weil es keinen andersartigen "Geschlechts-Bezug" gäbe.
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Re: Warum es keine Geschlechtsidentität gibt!

Beitragvon Vanessa » 9. Feb 2016, 17:43

Okay, jetzt kann ich definitiv besser nachvollziehen, worum es dir eigentlich geht. Die Aufzählung der Probleme zeigt mir, dass es sich teils um eher gegensätzliche Aussagen handelt, die wohl nie gleichzeitig auftreten, sondern eher von unterschiedlichen "Parteien" geäußert werden. Da werden quasi Transphobe und Transgender zu einem Problemkomplex zusammengerottet. Das macht es meiner Meinung nach schwierig, den roten Faden zu erkennen.
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Re: Warum es keine Geschlechtsidentität gibt!

Beitragvon Rosi » 11. Feb 2016, 16:39

Ich betrachte das nicht als zusammengerotteten Problemkomplex, der von unterschiedlichen "Parteien" geäußert wird und
nicht gleichzeitig auftritt.

Das ist schlicht das, was als Vorstellungswelt in den Köpfen der Menschen existiert und fortwährend von Medien, Medizin
und teilweise von Menschen "aus den eigenen Reihen" so kommuniziert wird.

Also kurz: "Die Ursuppe unserer Probleme"
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Warum es keine Geschlechtsidentität gibt!

Beitragvon teerose » 21. Feb 2016, 20:54

Liebe Rosi,

der Mensch als kognitiv bewußt-rational denkend, fühlend und handelndes Wesen bedarf einer referenziellen, fokussierten und akzentuierten Reflexionsbasis über sich selbst, mithin seine Identität, die den Wesenskern seines Menschseins ausmacht. Diese ist die unerläßliche Grundlage für unser biographisches Erleben und Verhalten.
Bereits das Thema: "Warum es keine Geschlechtsidentität gibt!", ist fraglich, so daß ich dem das Thema gegenüberstelle: "Warum es eine Geschlechtsidentität gibt/geben muß!"
"Geschlechtsidentität" ist ein wesentlicher Teil unserer Identität, d.h. unseres Selbst-Verständnisses und findet, im Gegensatz zu "Geschlechtsrollen-Identität"=gender ausschließlich in unserem Selbst statt. Geschlechtsidentität ist ungleich mehr als (nur) Geschlechtsrollen-Identität.
Geschlechtsidentität ist die Bewußtseinsebene, die es uns ermöglichen kann, unsere schier unüberwindbar erscheinenden Diskrepanzen zugunsten unseres Selbst-Wissens zu überwinden, unter Relativierung unserer widersprüchlich vorhandenen Körpermerkmale, sowie den für uns früher oder später als (ver)störend empfundenen und zurückzuweisenden Erwartungshaltungen unserer sozialen Umwelt an uns und unser Rollenverhalten. Mithin: erst eine derart abgeklärte Geschlechtsidentität ermöglicht den bewußt vollziehbaren Schritt/die Schritte der erforderlichen Transition.
In diesem Sinne wünsche ich uns allen eine gesunde, abgeklärte Geschlechtsidentität!

Liebe Grüße
teerose
 

Re: Warum es keine Geschlechtsidentität gibt!

Beitragvon Frank » 21. Feb 2016, 22:56

Nun möchte ich auch mal etwas in den Diskussionsraum einwerfen:

Warum es keine "Geschlechtsidentität" sondern nur einen "geschlechtlichen Aspekt in der individuellen Identität geben kann".

Die Identität - das Bewusste Ich jedes einzelnen Menschen - beginnt sich in einer kognitiven Entwicklungsphase zu bilden, sie ist jedoch nichts festes stabiles, sondern beruht auf einer Grundlage die sich durch Erfahrungen ändert, sie ist das Bindeglied zwischen dem Unbewussten Teil des menschlichen Individuums und der Interaktion mit der Umwelt.

Die von Lotty als "Körperlandkarte" bezeichnete Ebene betrifft jedoch den Unbewussten Teil des menschlichen Individuums.

Solange die "unbewussten Aspekte" zu den "interaktiven Auseinandersetzungen mit der Umwelt" passen wird es keine Konflikte geben,
es kann nur zu "individuellen Auseinandersetzungen mit den Erfahrungen in Bezug zur Umwelt" kommen -> diese bezeichnet Lotty als "gender",
die Konflikte zwischen dem "Unbewussten Konträr zur Interaktionsgrundlage mit der Umwelt" - wobei Lotty das "Unbewusste" als Körperlandkarte bezeichnet hat.

Die Konflikte die sich nur auf die "individuelle Auseinandersetzung mit den Erfahrungen in Bezug zur Umwelt" beziehen würden sich erübrigen, wenn die "Umwelt" also die Gesellschaft von den Geschlechterrollenklischees Abschied nimmt, wenn es kein "typisch männlich" oder "typisch weiblich" mehr gäbe.
Der Konflikt zwischen Unbewusstem konträr zur Interaktionsgrundlage" wäre damit jedoch nicht aus der Welt zu schaffen.

Liebe Grüße,
Frank
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