Das Biopsychosoziales Modell des Geschlechtsempfinden.

Meinungen und Meldungen aus unserem sozialem Umfeld

Re: Das Biopsychosoziales Modell des Geschlechtsempfinden.

Beitragvon tilly » 28. Nov 2015, 23:16

So,
ich habe ja nun selbst zwei Kinder durch die Pubertät gebracht, und meine zweite neigt sich auch zum Ende.
Langer Rede, kurzer Sinn, es dauert, kostet Nerven, aber das wird schon.
Letztendlich sollte man immer das Menschliche sehen.

Mit liebem Gruß Tilly
Benutzeravatar
tilly
Moderator
 
Beiträge: 848
Registriert: 21. Jan 2015, 23:32
Wohnort: Vaihingen/Enz
Geschlecht: Frau

Re: Das Biopsychosoziales Modell des Geschlechtsempfinden.

Beitragvon Lotty » 28. Nov 2015, 23:17

Hier ging es ja auch Stellenweise um die Deutungshoheit der Begrifflichkeiten und in diesem Zusammenhang habe ich einmal einen Auszug aus einer Definition des TrIQ-ABC Web heraus gesucht

Trans*
(auch: Trans*mensch, Trans*person) Relativ neuer, im Deutschen zunehmend verbreiteter Sammelbegriff, der nach dem Vorbild von Suchmaschinen und Programmiersprachen das Sternchen (Asterisk) als Platzhalter für verschiedene mögliche Endungen nutzt ( → transgender, transident, → transsexuell). Diese Offenheit soll auf die Vielfalt transgeschlechtlicher und anderer nicht der Norm entsprechender Geschlechtsidentitäten, Selbstbezeichnungen und Lebensentwürfe hinweisen, d.h. etwa auch → Crossdresser, → weder*noch* u.a. einschließen.

Transgender
Im engeren Sinne (dann oft in Abgrenzung zu → Transsexuellen) Selbst- oder Fremdbezeichnung von Menschen, die sich nicht (nur) mit dem Geschlecht, das ihnen bei Geburt zugewiesen wurde, identifizieren, die dem Zwei-Geschlechter-System kritisch gegenüberstehen und die häufig andere oder anders kombinierte Wege der Geschlechtsveränderung/-angleichung wählen als die, die das medizinische/juristische Transsexualitätsmodell vorsieht. Strittig ist, ob der Begriff in einem weiter gefassten Sinne auch (wie im Englischen) Oberbegriff sein und etwa Transsexuelle einschließen kann.

Transgeschlechtlichkeit
ist ähnlich wie → trans* – ein bewusst weit gehaltener Begriff für das Phänomen, dass manche Menschen nicht (oder nicht nur) in dem Geschlecht, das ihnen bei Geburt zugewiesen wurde, bzw. der damit verbundenen Geschlechterrolle leben können oder wollen. Hierzu zählen → Transgender, → Transidente, → Transsexuelle, zum Teil auch → Crossdresser, → Drag Kings und ~ Queens, → Transvestiten, Tunten u.v.m.

Transident
Alternative zum älteren und bekannteren Begriff → transsexuell, die deutlich macht, dass es sich um eine Frage der Geschlechtsidentität und nicht der Sexualität handelt.

Transsexualität
In Recht und Medizin üblicher Begriff für → Transgeschlechtlichkeit. Sich selbst bezeichnen vor allem Menschen als transsexuell, die sich als eindeutig dem „Gegengeschlecht“ angehörend erleben (z.B. männlicher Körper – weibliche Identität). Andere lehnen den Begriff wegen seiner Geschichte als medizinische Fremdbezeichnung und psychiatrische Diagnose ( → [Psycho-]Pathologisierung) und/oder wegen seiner irreführenden Ähnlichkeit mit Kategorien sexueller Orientierung ab. Um gemäß ihrer Identität leben zu können, nehmen die meisten Transsexuellen wie auch etliche andere → Trans* medizinische oder juristische Maßnahmen in Anspruch (z.B. Hormonbehandlung, geschlechtsangleichende Operationen, Änderung von Vornamen und Personenstand), wenn es ihnen rechtlich / finanziell / medizinisch / sozial möglich ist.


Ich fasse also mal zusammen, von hinten nach vorne:
Transsexualität ist ein Begriff für Transgeschlechtlichkeit. Transident ist eine Alternative zu Transsexuell
Zu Transgeschlechtlich zählen Transgender, Transidente, Transsexuelle, zum Teil auch Crossdresser, Drag Kings/Queens, Transvestiten, Tunten u.v.m.
Transgender steht für Menschen die sich nicht mit dem durch Geburt zugewiesenem Geschlecht identifizieren, die dem zweigeschlechtersystem kritisch gegenüber stehen. Strittig ist ob dies ein Oberbegriff ist der Transsexuelle mit einschließt. Andererseits wird er aber auch zur Abgrenzung zu Transsexuellen genutzt.
Trans* ist ein Oberbegriff der wiederum Transgender, Transident, Transsexuell sowie Crossdresser, weder*noch* u.a. einschließt.

Noch weiter vereinfacht:
Transsexuell und Transident ist das gleiche, Transsexuell ist ein Begriff für Transgeschlechtlich. Transgeschlechtlich und Trans* sind Oberbegriffe die diese Begriffe vereinen ebenso aber auch Transgender, Crossdresser, weder noch*, Drag-Kings/Queens, Transvestiten , Tunten u.v.m.
Ja und Transgender steht dann für alle die, die mit ihrem Geburtsgeschlecht Probleme haben. Ist aber auch wiederum ein Oberbegriff der auch gleichzeitig eine Unterkategorie ist.

Also als Begriffsdefinition kann man das wohl kaum bezeichnen. es sieht für mich eher so aus als würde hier versucht für eine babylonische Spachenverwirrung zu sorgen. Frei nach dem Motte "Lasset uns ihre Sprache verwirren auf das der Eine den Anderen nicht verstehen möge".

Und noch einmal weil es so schön ist:
Transsexuell ist das Gleiche wie Transident, ist das Gleiche wie Transgeschlechtlich, ist ein Oberbegriff für ....... Also ist Transsexuell ein Oberbegriff für alles?

Und da wundert sich jemand wenn Menschen mit gegengeschlechtlichen Körpermerkmalen ganz laut "NEIN" sagen, ohne uns?
Benutzeravatar
Lotty
Administrator
 
Beiträge: 1529
Registriert: 16. Jan 2015, 20:27
Wohnort: Melle
Geschlecht: Frau
Partner/in von: Frank

Re: Das Biopsychosoziales Modell des Geschlechtsempfinden.

Beitragvon tilly » 28. Nov 2015, 23:34

Jou Lotty,

hab es gerade versucht zu lesen, geht nicht mehr, und verstehen???
Muss ich das?
Worthülsen ohne Sinn und Verstand, kunterbunt zusammengewürfelt, Biopsychosozial der ein oder anderen Modellvorstellung für Empfinden entsprechend formuliert..........????

Jetzt trinkt Frau Tilly Anna ihr Weizenbier leer und gut ist.
Benutzeravatar
tilly
Moderator
 
Beiträge: 848
Registriert: 21. Jan 2015, 23:32
Wohnort: Vaihingen/Enz
Geschlecht: Frau

Re: Das Biopsychosoziales Modell des Geschlechtsempfinden.

Beitragvon Vanessa » 29. Nov 2015, 13:50

Ich werde jetzt zu den Begriffen auch nichts mehr sagen. Im Grunde war es auch klar, dass ich in ein Wespennest steche, wenn ich diese Thematik anspreche und da nicht konform gehe mit dem VTSM, der Forenleitung und den Mitgliedern, die sich speziell aus den Gründen hier angemeldet haben. Denn der VTSM ist ja aus diesem Abgrenzungswunsch heraus geboren worden. Da war meine "Mission", für mehr Mäßigung und mehr Aufeinanderzugehen zu plädieren, wirklich total naiv. In Zukunft werde ich mich aus diesem Bereich komplett heraushalten und mich nur noch beteiligen, wo es um persönliche Erfahrungen, Transition, etc. geht. Politik sollen andere machen.

PS: Und ja, ich glaube, dass ich hier dennoch richtig bin. Denn ich suche den Austausch mit Menschen, die XY-Chromosomen haben, die mit einem Penis geboren wurden und die sich weitestgehend als "reine" Frauen begreifen. Ich hoffe, ich habe mit meiner Wahl der Worte niemanden gekränkt, ausgeschlossen, oder sonstwas in der Art.
Vanessa
 
Beiträge: 303
Registriert: 17. Nov 2015, 14:31
Geschlecht: Frau

Re: Das Biopsychosoziales Modell des Geschlechtsempfinden.

Beitragvon Lotty » 29. Nov 2015, 15:03

Vanessa hat geschrieben:Ich werde jetzt zu den Begriffen auch nichts mehr sagen. Im Grunde war es auch klar, dass ich in ein Wespennest steche, wenn ich diese Thematik anspreche und da nicht konform gehe mit dem VTSM, der Forenleitung und den Mitgliedern, die sich speziell aus den Gründen hier angemeldet haben. Denn der VTSM ist ja aus diesem Abgrenzungswunsch heraus geboren worden. Da war meine "Mission", für mehr Mäßigung und mehr Aufeinanderzugehen zu plädieren, wirklich total naiv. In Zukunft werde ich mich aus diesem Bereich komplett heraushalten und mich nur noch beteiligen, wo es um persönliche Erfahrungen, Transition, etc. geht. Politik sollen andere machen.

PS: Und ja, ich glaube, dass ich hier dennoch richtig bin. Denn ich suche den Austausch mit Menschen, die XY-Chromosomen haben, die mit einem Penis geboren wurden und die sich weitestgehend als "reine" Frauen begreifen. Ich hoffe, ich habe mit meiner Wahl der Worte niemanden gekränkt, ausgeschlossen, oder sonstwas in der Art.

Liebe Vanessa, es ist hier nichts gegen eine Diskussion, auch um Begrifflichkeiten, einzuwenden. Nur gilt es dabei gewisse Grenzen einzuhalten. Womit du es ganz klar übertrieben hast war die Aussage "wie sind alle Trans*".

Dann liegst du auch falsch wenn du glaubst der VTSM sei aus einem Abgrenzungswunsch entstanden. Wer sich nicht als Transgender bezeichnen lassen möchte hat dazu ein gutes Recht. Das ging aber damals bei dieser dgti nicht mehr. Dort hieß es irgendwann "Wir sind alle Transgender", mittlerweile sind dort alle zwangsversternchent. Wer sich dem nicht unterordnete wurde ausgegrenzt, Beiträge wurden gelöscht, Themen gesperrt, User gesperrt. Das hat dazu geführt das sich dieses Forum und der VTSM gebildet hat. Anschließend war diese deutsche Gesellschaft dann auch recht klein, ich glaube so um die 16 Mitglieder sind übrig geblieben.

Hier ist ein Forum und ein Verein, der dazu steht das wir Frauen und Männer sind. Der dazu steht das wir als Menschen geboren wurden die mit gegengeschlechtlichen Körpermerkmalen geboren wurden. Der dazu steht das wir keine transgeschlechtlichen (Geschlechtswechsler) sind.

Der VTSM sagt Stop, packt uns nicht in Schubladen in die wir nicht passen. Irgendjemand kommt dann an und verpasst diesen Menschen Eigenschaften die nicht auf uns zutreffen. Das ist der Grund warum wir sagen "wir sind etwas anderes". Du nennst es Abgrenzung, ich nenne es differenzierte Betrachtung.

Liebe Grüße
Lotty
und einen schönen 1.Advent. Bild
Benutzeravatar
Lotty
Administrator
 
Beiträge: 1529
Registriert: 16. Jan 2015, 20:27
Wohnort: Melle
Geschlecht: Frau
Partner/in von: Frank

Re: Das Biopsychosoziales Modell des Geschlechtsempfinden.

Beitragvon tilly » 29. Nov 2015, 15:04

Schön!

Hey, und hier gibt es liebe Menschen!
Die werden nur böse wenn irgendwie ne trans Schublade aufgemacht wird.
Wobei es mir nicht schadet ab und zu die eigene Position zu überdenken, und nie zu vergessen dass alle Menschen sind.

Mit liebem Gruß Tilly
Benutzeravatar
tilly
Moderator
 
Beiträge: 848
Registriert: 21. Jan 2015, 23:32
Wohnort: Vaihingen/Enz
Geschlecht: Frau

Re: Das Biopsychosoziales Modell des Geschlechtsempfinden.

Beitragvon Frank » 29. Nov 2015, 15:50

Hallo Vanessa,

du schriebst unter anderem folgendes:
Denn der VTSM ist ja aus diesem Abgrenzungswunsch heraus geboren worden.


Nein - da irrst du, vermutlich weil du den Hintergrund nicht kennst.

Daher schreibe ich dir und allen Interessierten mal warum der VTSM entstanden ist.
Die Forengründer waren zuvor in einem anderen Verein, eine "deutschen Gesellschaft" aus dem großen "Trans*" Bereich, der damals (Anfang 2015!) plötzlich Alle Zwangstransgenderisierte.........dies war für einige so absolut nicht Haltbar, andere störte einfach nur die extreme Art der Ausgrenzung dieses anderen Vereins gegenüber denjenigen die "keine Transgender sein wollten". Und natürlich die Art wie das Forum dieses anderen Vereines sich Plötzlich von einem Selbsthilfeforum in einen Ort für Politische Zielsetzung verwandelte.

Daher ist dieses Forum, auch wenn es ebenfalls für den VTSM genutzt wird in erster Linie ein Selbsthilfeforum!
Hier wird auch Niemand ausgegrenzt der egal wie ein User sich selbst definiert, hier Rat und Hilfe sucht.

Allerdings entstand dann über die Forenarbeit die Erkenntnis das es sehr wohl noch sehr viel mehr Menschen gibt die von sich sagen "Ich bin kein Transgender, aber trotzdem habe ich mit Transsexualität in meinem Leben (aktuell oder früher) zu tun (gehabt)".
Und daraus entstand dann der VTSM -> der sich eben ganz konkret nur für Menschen mit transsexuellen Bezug einsetzt, der die Interessen und Bedürfnisse der Menschen vertritt die eben "keine Transgender" (heute eher durch "Trans*" ersetzt) sein wollen.

Ein wie du es nennst "Aufeinanderzugehen" ist nur dann Möglich wenn Transsexualität als das was es ist akzeptiert wird, ebenso wie die Bedürfnisse der Menschen die eben "nur Transsexuell sind/waren" und die einfach nur als ganz "normale Frauen/Männer" leben wollen.
Dies ist jedoch aktuell nicht der Fall und soll auch gar nicht umgesetzt werden -> im Gegenteil Transsexualität wird mit Begriffen gleichgesetzt die eine ganz andere Gruppe Menschen betreffen, mit zum Teil sogar völlig entgegengesetzten Bedürfnissen, die aber nur diese Bedürfnisse der anderen Gruppe anerkennen. Vielleicht schaust Du dir einfach mal an was eigentlich hier in Deutschand aktuell tatsächlich Stattfindet, bevor du nochmal versuchst zu "missionieren".

Übrigens: Hier im Forum befinden sich auch Menschen die mit einer Vagina geboren wurden, obwohl sie eigentlich Männer sind. ;)

Liebe Grüße,
Frank
Benutzeravatar
Frank
Administrator
 
Beiträge: 1493
Registriert: 16. Jan 2015, 14:14
Wohnort: Melle
Geschlecht: Mann
Partner/in von: Lotty

Re: Das Biopsychosoziales Modell des Geschlechtsempfinden.

Beitragvon Vanessa » 29. Nov 2015, 20:05

Okay, jetzt möchte ich doch mal meine konkrete Sichtweise zu dem ganzen Thema erläutern und wie ich dahin gelangt bin. Das hätte ich vielleicht von Anfang an tun sollen, damit ich nicht so missverstanden werde. Begriffe sind jetzt Schall und Rauch in diesem Kontext und ich will auch niemanden damit irgendwie einordnen oder einen Stempel aufdrücken. Ich verwende jetzt einfach mal die Worte, mit denen ich das irgendwie ausdrücken kann. Ich bitte das zu berücksichtigen. Ich muss es halt irgendwie benennen und in Worte fassen, was ich meine. Vielleicht wird dadurch klar, dass ich nicht stellvertretend für irgendjemanden stehe und irgendeine feindliche Agenda verfolge. Ich mache mir einfach gerne viele Gedanken. Also los.

Natürlich habe ich unmittelbar nach meinem "Aufwachen" versucht, das ganze Thema zu verstehen. Was bin ich? Was will ich? Was bin ich nicht? Was will ich nicht? Was erhoffe ich mir? Wovor habe ich Angst? Bilde ich es mir nur ein? Ist es real? Was ist die Ursache? Wohin wird das führen? Kann ich damit aufhören? Will ich das? Welche Konsequenzen muss ich tragen? Wie reagieren andere? Tausend Fragen. Und am Anfang stand völliges Chaos. Also fing ich irgendwo an. Das erste Mal Googeln nach "transsexuell". Zunächst Standardinformationen aus bekannten Quellen wie Wikipedia. Langsam formte sich ein Bild, dass ich permanent mit mir abglich. Und immer wenn ich meinte, dass ich von diesem Bild abweichte, hatte ich Sorge, dass ich es doch gar nicht bin. Fragen wie "Muss ich meinen Penis wirklich hassen?" oder "Hätte ich nicht schon mit drei Jahren klar erkennen müssen, dass ich ein Mädchen bin?" sorgten früh für Zweifel.

Ich wollte Beweise. Am besten irgendetwas Messbares, das mir klar bescheinigte: Ich bin es oder ich bin es nicht. Und ich fand durchaus naturwissenschaftliche Erklärungsansätze. Nichts absolut Hieb- und Stichfestes, aber etwas, das schon Hand und Fuß hatte: Dass zu wenig Testosteron während einer bestimmen embryonalen Entwicklungsphase im Mutterleib für eine Verweiblichung oder eine weibliche Prägung bei einem Embryo sorgt. Studien deuteten darauf hin, dass es tatsächlich so etwas wie ein Gehirngeschlecht gab, dass wir während der Entwicklung eine Prägung erhalten, die uns später auf wundersame Weise ein Gefühl für unser Geschlecht gibt und diverse Eigenschaften wie kognitive Fähigkeiten und emotionales Erleben geschlechtlich einfärbt. Das wurde auch mit Tierversuchen bestätigt. Eigentlich männliche Mäuse verhielten sich bei zu wenig Testosteron während ihrer Entwicklung in der Mutter später eher wie Weibchen. Umgekehrt ließ ein Testosteronüberschuss eigentlich weibliche Mäuse sich eher wie Männchen verhalten. Damit war zumindest mir absolut klar: Es gibt eine biologische Ursache und so etwas wie ein Gehirngeschlecht, völlig unabhängig von einem sozialen Einfluss. Die Mäuse wussten nichts über Transsexualität, Geschlecht und hatten auch keine Gesetze, Normen oder Tabus, die sie in irgendeiner Form beeinflusst haben könnten. Aber mir stellte sich dann trotzdem noch die Frage, ob das denn auch bei mir tatsächlich so wäre. Hatte ich wirklich zu wenig Testosteron abbekommen? Dann fand ich Informationen, dass der embryonale Testosteronspiegel sich auch sichtbar auf den Körper auswirken könnte. Das war ebenfalls nicht absolut hieb- und stichfest bewiesen, aber auch hier hatte es Experimente gegeben, die dem ganzen Hand und Fuß gaben. Und zwar sollte das Fingerlängenverhältnis zwischen Zeige- und Ringfinger ein Indiz für jene Unter- oder Überversorgung mit Testosteron sein. Frauen hatten meist einen längeren oder zumindest gleichlangen Zeigefinger als/wie den Ringfinger. Bei Männern war es üblich, dass diese einen längeren Ringfinger besaßen. Also analysierte ich meine Hand und sah: Der Zeigefinger war länger. Das war für mich wie ein Triumph. Quasi ein Durchbruch. Damit hatte ich wirklich etwas, das über "bloße Gefühle" hinausging, und mir etwas "Handfestes" an die Hand gab. Das habe ich genau gebraucht. Damit hatte ich erst mal ein solides Fundament, auf dem ich stehen konnte. Aus dem Sumpf, der mich zu verschlingen drohte, wurde ein gangbarer Weg.

Und so entwickelte ich im Tandem mit den Informationen, die ich im Internet aus mannigfaltigen Quellen erhielt, meine eigenen Theorien zur Entstehung von Transsexualität und wie sich diese biologische Ursache letztlich auf alle möglichen Bereiche des Lebens auswirkte, seien es körperliche Eigenschaften, kognitive Fähigkeiten, emotionale Aspekte, Bedürfnisse oder Dränge. Ich wollte verstehen was Geschlecht wirklich bedeutet und dabei körperliche und geistige Aspekte in Deckung bringen. Dass Geschlecht rein sozial sei, war für mich von Anfang an widerlegt durch die Forschung. Nun war die Frage, wie genau sich diese scheinbar winzige Ursache später auf den Menschen auswirken würde. Wieso fühlt jemand sein Geschlecht? Woher kommt dieses Bewusstsein und dieses Wohlbefinden, wenn sich Körper- und Gehirngeschlecht im Einklang befinden? Und wieso ist es so ein riesiges Problem, wenn dieser Einklang fehlt, wenn sich Körper und Gehirn widersprechen? Und wie genau äußert sich Geschlecht bei Menschen basierend auf diesem inneren Geschlechtskompass? Was ist von diesem Gehirngeschlecht beeinflusst und was ist nur sozial übernommen? Auch hier entwickelte ich meine eigene Theorie, nach der sich zwar viele Dinge am Ende stark sozial geprägt ausbilden, wie z.B. die vermeintlichen Lieblingsfarben von Jungen (blau) und Mädchen (rosa). Es war einerseits klar, dass diese Farben eigentlich willkürlich gewählt sein mussten, weil diese Farben auch schon mal andere waren, aber dennoch musste es einen Grund geben, warum sich Mädchen doch oft so zu Rosa hingezogen gefühlt haben. Und der Grund lag für mich auf der Hand: Die Farbe selbst war nicht ausschlaggebend. Es war die weibliche Konnotation, die die Gesellschaft dieser Farbe gegeben hatte, die die Mädchen anzog. Mädchen wollten weiblich sein. Die Farbe rosa stand für Weiblichkeit. Ergo fühlten sich Mädchen zu dieser Farbe hingezogen.

Gleichwohl war es für mich auch eine logische Folgerung, dass es sich hierbei nicht einfach um eine Entweder/oder-, Ja/nein- oder Ganz/gar-nicht-Angelegenheit handeln konnte. Die Grenzen mussten fließend sein. Was, wenn der Testosteronmangel mehr oder weniger stark ausgeprägt war? War dann auch die weibliche Prägung unterschiedlich stark? Ich stellte es mir in etwa so vor, dass man Geschlecht als großes Ganzes auf einer Skala einordnen konnte, einer Skala zwischen männlich und weiblich. Aus einem männlichen Embryo mit hohem Testosteroneinfluss müsste später ein sehr männlicher Mann werden, der sich in seinem Körper wohlfühlt und die typischen Eigenschaften seines Geschlechts besitzt. Diesen würde ich auf der Skala ganz auf der männlichen Seite einordnen. Umgekehrt würde aus einem weiblichen Embryo mit sehr geringem Testosteroneinfluss eine sehr feminine Frau werden mit all den typischen Eigenschaften, die man den Frauen zuschreibt. In letzter Konsequenz bedeutete dies aber auch, dass es nach der Gauss'schen Normalverteilung Menschen geben musste, die nicht so eindeutig an den Enden der Skala einzuordnen waren. Manche würden in der Mitte stehen, manche irgendwo anders. Körperlich weibliche Menschen konnten irgendwo im männlichen Bereich liegen. Körperlich männliche Menschen irgendwo im weiblichen. Kurzum: Alles war möglich. Transsexualität stellte ich mir somit als den Zustand vor, dass ein betroffener Mensch nicht wie die meisten Menschen relativ weit auf der eigenen Seite der Geschlechterskala einzuordnen war, sondern irgendwo auf der anderen Seite des anderen Geschlechts. Somit war auch eine leichte oder eine schwere Form von Transsexualität möglich. Was, wenn man die Grenze zum anderen Geschlecht nur so gerade eben überschritt? Was wenn man noch kurz davor blieb? Der letztere Fall erklärte für mich "feminine Männer" oder "maskuline Frauen", die sich noch immer als ihr körperliches Geschlecht begriffen. Dabei war aber die konkrete Grenze, bei der jemand für sich erkennt, dass er eigentlich zum anderen Geschlecht gehört, individuell verschieden und hing von einer Vielzahl Faktoren ab wie Wissen oder Lebensumständen. Menschen, die sich keinem oder beiden Geschlechtern gleichermaßen zuordneten, lagen für mich irgendwo in der Mitte. Sie hatten ausgewogene Anteile und konnten sich daher schwer einordnen. Sie lagen von beiden Geschlechtern gleich fern oder nah entfernt. Ich hielt es aber auch für möglich, dass man nicht einfach nur auf einer Skala einzuordnen ist, sondern dass für die verschiedenen Eigenschaften, die einen Menschen ausmachen, eine separate Skala existiert. Man konnte also bei einer Eigenschaft eher männlich, bei einer anderen Eigenschaft eher weiblich geprägt sein. Daraus ließ sich dann aber (ggf. nach geeigneter Gewichtung) ein Durchschnitt bilden, und sich so doch wieder eine Einordnung auf einer Gesamtskala vornehmen. Das sollte lediglich als Denkansatz dienen, dass mehrere Faktoren eine Rolle spielen und nicht bloß einer. Das erschien mir plausibler, aber war letztlich nur eine Verfeinerung des Modells, die dessen Grundaussage nicht infrage stellte.

Alles ergab Sinn. Die Lösung war gefunden. Ich hatte es geschafft, reale körperliche Ursachen mit dem scheinbaren Gegenspieler Sozialisation zu vereinen und eine schlüssige Erklärung für alle existierenden Varianten von Transkonditionen zu finden. Für mich war somit das Rätsel von Geschlecht gelöst, zumindest auf dieser fundamentalen Ebene betrachtet. Und diese Sichtweise, die ich mir selbst aus den ganzen Quellen, Theorien, Experimenten, usw. erarbeitet hatte, prägt jetzt maßgeblich meine Vorstellung davon, was Transsexualität eigentlich ist, und meine Gewissheit, davon auch selbst betroffen zu sein. Ich kann mich auf der Skala einordnen und ich sehe mich definitiv im weiblichen Bereich. Und es ist diese Theorie, die mir ganz klar sagt, dass es nicht mehrere Ursachen, mehrere völlig voneinander getrennte Dinge gibt, sondern dass letztlich alles mit dieser Einheitstheorie zu erklären ist. Das ist die treibende Kraft dahinter, warum ich einen einzigen Oberbegriff favorisiere, der alle Transkonditionen unter einem Dach vereint. Und das ist wohl genau der Grund, weshalb ich Begriffen wie Transgender oder Trans* so zugeneigt bin, völlig unabhängig von dem, was andere Institutionen, Aktivisten oder sonst welche Menschen oder Gruppen in diesen Begriffen sehen und was sie damit bezwecken wollen.

Vielleicht versteht mich jetzt jemand?

PS: Und bezogen auf diesen ganzen Konflikt hier: Die Sache ist einfach die, dass all die Aussagen von denen, die sich hier als (echte) Transsexuelle bezeichnen, meiner Theorie überhaupt nicht widersprechen. Im Gegenteil. Sie werden perfekt erklärt. Aber gleichzeitig werden auch Phänomene wie "genderqueer" oder "non-binär" dadurch erklärt. Ihr habt mir also nie widersprochen. Aber die Behauptung, dass Transsexualität etwas ganz anderes sei als Transgender oder Trans* und überhaupt keine Deckung hätte, erschien mir nach meiner Theorie einfach nicht schlüssig. Es gibt einen Grundsatz, der nennt sich Ockhams Rasiermesser:
  1. Von mehreren möglichen Erklärungen für ein und denselben Sachverhalt ist die einfachste Theorie allen anderen vorzuziehen.
  2. Eine Theorie ist einfach, wenn sie möglichst wenige Variablen und Hypothesen enthält, und wenn diese in klaren logischen Beziehungen zueinander stehen, aus denen der zu erklärende Sachverhalt logisch folgt.
Warum sollte es zwei unterschiedliche Phänomene geben, die sich augenscheinlich so ähnlich sind? Das liegt für mich zumindest nicht nahe. Zumal es nach meiner Theorie auch falsch wäre, alle die nicht "klassisch transsexuell" sind, einfach auf eine rein soziale Komponente zu reduzieren. Die körperlichen Ursachen gelten für alle gleichermaßen. Auch kann damit selbst die Neigung eines einfachen Transvestiten erklärt werden: Es gab lediglich einen kleinen Einfluss auf bestimmte Bereiche. Letztlich sehe ich das Bestreben eines Transvestiten nach einer weiblichen Ausdrucksform, sofern für diesen damit starke Gefühle verbunden sind (er es also beispielsweise nicht einfach nur aus Geldgründen macht), auch als Ausdruck einer weiblichen Prägung in irgendeiner Form, nur längst nicht so stark und eindeutig ausgeprägt wie bei einem "reinen Transsexuellen". Für mich ist die Idee, dass es mehrere völlig voneinander unabhängige Phänomene wie (echte) Transsexualität, Transgender, Transvestitismus, usw. gibt, einfach nicht naheliegend aus logischer Sicht. Meine eine Theorie erklärt alles gleichermaßen. Und deswegen sträubt sich bei mir etwas in meinem Logikzentrum, wenn jemand Gegenteiliges behauptet. Deswegen habe ich hier immer wieder kontra gegeben. In mir sträubte sich einfach etwas. Auf mich wirkte die Unterscheidung, dass es einerseits Transsexualität gäbe und andererseits den ganzen Rest, dadurch absolut willkürlich. Eine willkürliche Grenzziehung, ohne erkennbares System dahinter.
Vanessa
 
Beiträge: 303
Registriert: 17. Nov 2015, 14:31
Geschlecht: Frau

Re: Das Biopsychosoziales Modell des Geschlechtsempfinden.

Beitragvon tilly » 29. Nov 2015, 21:12

Danke für die Fleißarbeit!

Und ich kann das sehr gut verstehen, ist ja nach heutiger wissenschaftlicher Erkenntnis alles richtig.
Es zeigt auch sehr schön, dass es alles gibt. Mal etwas überspitzt, vom Mann der nicht ordentlich parken kann, über gelegentliche Wäscheträger, Menschen die ihre geschlechtliche Rolle ändern, Menschen die zudem fast jede OP in kauf nehmen, bis zu Vorschulkindern die in dem Alter schon 100% sicher sind den falschen Körper zu haben.
Das ist die Ausgangssituation, bei allen ist was mit dem Geschlechtsempfinden anders.
Manche merken es nicht, oder so wenig, dass ein gelegentliches Ausleben reicht.
Andere sind extrem Suizid gefährdet wenn sie ihr Leben und den Körper nicht angleichen können/dürfen.
Und genau da unterscheiden sich die Bedürfnisse ganz gewaltig.
Die einen brauchen eine offenere tolerantere Gesellschaft in der Männer mit Röckchen und Heels herumstöckeln können.
Die anderen brauchen das Verständnis, dass sie schon immer Männer/Frauen waren, nur der Körper nicht passte.

Mit liebem Gruß Tilly
Benutzeravatar
tilly
Moderator
 
Beiträge: 848
Registriert: 21. Jan 2015, 23:32
Wohnort: Vaihingen/Enz
Geschlecht: Frau

Re: Das Biopsychosoziales Modell des Geschlechtsempfinden.

Beitragvon Ätztussi » 29. Nov 2015, 21:24

@ vanessa

Das ganze Herumtheoretisieren bringt wenig.

Die Frage ist wie du mit deiner Situation umgehen willst.
Dazu solltest du raus finden .Wo du stehst und wohin du willst, oder anders ist ausgedrückt was bist du und wie willst du deinen Weg gehen. Sowas steht nicht in den Lehrbüchern/Internet sowas muss man selbst erarbeiten.

LG Ätzi
Ätztussi
 
Beiträge: 477
Registriert: 22. Jan 2015, 14:55
Wohnort: Berlin
Geschlecht: Frau

VorherigeNächste

Zurück zu Soziologie

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 15 Gäste

cron