Verabschiedung von Hans Hengelein,.....

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Verabschiedung von Hans Hengelein,.....

Beitragvon Frank » 31. Mai 2019, 19:34

Verabschiedung von Hans Hengelein, Referent im Sozialministerium, LSBTTI* Niedersachsen, in seinen wohlverdienten Ruhestand

Wir, als Vorstand und somit offizielle Vertretende von Menschen mit originärer Transsexualität (NGS) sind Herrn Hengelein erst relativ spät in seiner letzten Tätigkeits-Phase begegnet, wobei ich (Frank) nicht mehr genau sagen kann, wann das erste Treffen stattfand, vom dokumentierten Schriftwechsel her müsste dies in 2014 gewesen sein.

Zunächst sind wir (Lotty & Frank) Herrn Hengelein oft in Kontexten begegnet, die mit der damals schon etablierten Ebene der „Schwul-Lesbischen Interessenvertretung“ zu tun hatten. In diesen Bezügen kam das Verständnis und die Differenzierungen von unterschiedlichen und benennbaren Bedarfen durchaus klar und deutlich erkennbar zum Tragen. Es gab einen Vertretungsanspruch, der die Kooperation von Landesvertretung und Selbstorganisationsvertretung vertrat. Das war eines der Hauptanliegen in entsprechenden Gesprächen, die ich mitbekam.
Es war in diesen Kontexten immer wieder sehr deutlich, dass hier von Seiten der politischen und der organisierten Selbstvertretungs-Ebenen ein Verständnis für die Notwendigkeit zu differenzieren, hinsichtlich der verschiedenartigen Bedürfnisse und Bedarfe der Menschen, und was doch wohl den Kern von „diversity“ ausmachen sollte; man war also darum bemüht, keine Variante des „Regenbogens“, sprich Niemanden, auszuschließen.

Im letzten Jahr bekam ich dann, im Zusammenhang mit dem nun bekannten baldigen Abschied aus der Erwerbsarbeit von Herrn Hengelein in den Ruhestand, und somit seinem Ausscheiden aus dem Referat LSBTTI* mit, dass Herr Hengelein vor dieser Referenten-Tätigkeit sehr aktiv im Zusammenhang mit der Aidshilfe tätig gewesen war.
Vor diesem Hintergrund ist die Tätigkeit von Herrn Hengelein insgesamt sicherlich etwas sehr Positives und dementsprechend auch zu würdigen.

Aber wir, als Vertretende der Vereinigung-Transsexuelle-Menschen e.V., haben auch eine andere Seite des Herrn Hengelein kennengelernt.
Insbesondere im Zusammenhang mit der nun plötzlich „alle LSBTTI* in Niedersachsen“ vertretenden „Organisation“ des Queeren Netzwerks, Niedersachsen (QNN), wurde deutlich, dass gar kein Verständnis, und auch keine Verständnis-Bereitschaft für unsere Thematik der Transsexualität existiert(e).
Wurde Psycho-Pathologisierung und die daraus erwachsenen „Selbstbezüge“ im Kontext der homosexuellen Orientierung noch benannt, und auch kritisch betrachtet, erfolgte dies in Bezug auf „Geschlechts-bezogene Themen“ nun gar nicht mehr.

Obwohl die Pathologisierung an sich , also das Gatekeeping, angeprangert wird, und dessen Abschaffung gefordert wird, sieht es mit der Grundlage, die diese Pathologisierung ermöglichte, ganz anders aus.
Die Pathologisierung der Transsexualität basierte, ebenso wie auch der Umgang mit Intersexualität, seit den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts auf der Money-These, nach der „Geschlecht“ etwas sei, dass anerziehbar wäre. Diese These basierte auf der Annahme, der Mensch käme als „unbeschriebenes Blatt“ auf die Welt, und entwickele alles, was sich nicht nur auf die Grundbedürfnisse bezieht, durch „erlerntes Interagieren“. Die Geschlechtszugehörigkeit wurde dabei auf die „Geschlechtsrollen-Identität“ bezogen, die einem Kind anerzogen werden könne.
Aus der „Geschlechts-ROLLEN-Identität“ wurde im Laufe der darauffolgenden Jahre die „Geschlechts-Identität“, jedoch blieb der Bezug auch ohne die klare Benennung ausschließlich bei der Geschlechts-Rollen-Ebene.
Diese Geschlechts-Identität, die letztlich für eine „Geschlechtszugehörigkeit nach Wahl“, ohne Bezug zum Körperlichen steht, ist letztlich auch in der LSBTTIQ*-Community, und sogar zum Teil in der Gesellschaft angekommen: „Ist doch egal wie ein Mensch sich geschlechtlich identifiziert“ - das ist mittlerweile die „politisch korrekte“ Ansicht dazu.
Geschlecht wird dabei nur als bezüglich der „sozialen Identifikationsebene“ relevant betrachtet, entgegen der Erkenntnis, dass Begehren schließlich auch mehr beinhaltet, als nur platonische Aspekte, und sehr wohl und zentral auch mit dem „körperlichen Geschlecht“ zu tun hat.

Auf Kritik an der Vereinnahmung von Transsexualität durch Trans*Vertretende und zu den Differenzen in den Phänomenlagen und den Bedarfen wurde immer nur notorisch ausweichend und abwehrend reagiert:
„Es geht doch nur um Begriffe!“ - NEIN! - Es geht um die natürlichen Differenzen, die sich aus den Phänomenlagen ergeben, und die in völlig verschiedenen Bedarfen und Bedürfnissen resultieren!

Die Begriffs-Bezeichnung Transsexualität wurde in maßgeblichen politischen Kreisen in Niedersachsen, unter anderem auch von Herrn Hengelein ganz konkret als „irrelevant, und nicht mehr explizit benennungs-bedürftig“ bezeichnet, und durch einen Oberbegriff ersetzt, der letztlich die Menschen mit unserer Phänomenlage gänzlich unsichtbar macht, und ihnen mithin ihr Mann-sein bzw. Frau-Sein abspricht.
Wie würden dieselben Kreise wohl reagieren, wenn man fortan Schwulen ihr Mann-Sein, und Lesben ihr Frau-Sein abspräche?!

Es wurden fortan „Trans*Berater*innen Schulungen“ gefördert, in denen dann auch ausschließlich genau diese Fokussierung auf die reinen „Trans*Bedarfe“ ausgerichtet war, ohne jede Berücksichtigung der Bedürfnisse und Bedarfe originär transsexueller Menschen (NGS).
Die ausschließliche Berücksichtigung der „psychosozialen Interaktionsebene“ wurde insbesondere im reinen „Community-Bezug“ zur absoluten Grundlage gemacht. Themen zu den Bedarfen von Menschen mit Transsexualität wurden nur insoweit beachtet, wie sie auch für die andere Gruppe relevant war. Kritik an diesem Umgang mit dem Thema „Transsexualität“ wurde hingegen von allen diesen Seiten systematisch übergangen und ignoriert.

Für uns, als Vertretende der Interessen von Menschen mit Transsexualität und transsexueller Vergangenheit, war besonders krass zu erleben, dass Herr Hengelein im Januar 2016 noch in einem gemeinsamen Gespräch von uns mit der damaligen niedersächsischen Sozial-Ministerin Rund explizit versicherte, dass „Transsexualität“ auch weiterhin benannt bleiben würde.
Der nur kurze Zeit später erfolgte Wortbruch, der ja ganz eindeutig im Widerspruch zu dieser Zusage von 2016 steht, wirkte und wirkt für uns wie ein vorsätzlicher Verrat! Insbesondere auch deshalb, weil die uns exkludierenden und diskriminierenden Änderungen kaum ein halbes Jahr nach der uns gegebenen Zusage aber dann explizit auf den Seiten des Sozial-Ministeriums und des Landes Niedersachsen schriftlich umgesetzt wurden.

Für unsere Benennung dieser Fakten-Abläufe ernteten wir nur immer wieder „Schweigen“, bzw. ausweichend die „tröstliche“ Auskunft, daß man sich doch schließlich nicht um jede Kleinigkeit kümmern könne; so wurde es dann in persönlichen Nachfragen bei Begegnungen in anderen Kontexten wiederholt gesagt.

Und was dann wirklich sehr befremdlich wirkte: bei einer persönlichen Begegnung in einem gänzlich anderen Kontext, nämlich im Rahmen eines gemütlichen Beisammenseins im Anschluß an die Preisverleihung des „Rosa Courage Preises 2019“ an Romy Haag, am vergangenen Freitag in Osnabrück, kam es zu einigen heftigen Worten von Herrn Hengelein gegenüber uns, als VTSM e.V. Wir (Seerose und Frank), die wir in intensive und ergiebige Gespräche mit Romy Haag involviert waren, waren ebenso wie wahrscheinlich alle anderen Anwesenden dieser Runde, sehr erstaunt über die überstürzte Selbstverabschiedung von Hans Hengelein, kaum dass er sich in unserem Kreise eingefunden hatte. - Warum wohl diese heftige Reaktion?!
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Re: Verabschiedung von Hans Hengelein,.....

Beitragvon Selfmademan » 1. Jun 2019, 09:18

Vielleicht hat ja die heftige Reaktion sein Gutes und alle anderen sind dadurch aufgewacht? Dann hättet ihr die absolute Mehrheit dort erreicht. Komische Leute sagen gerne die Wahrheit wenn man sie mit der Benennung der Realität bis aufs Blut reizt. ;) In diesem Sinne, weiter so. Ich wäre zu gerne selbst dabeigewesen.
V.T. pen phis! Tok narok.
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