Was ist ein gutes "passing"?

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Was ist ein gutes "passing"?

Beitragvon seerose » 15. Mai 2017, 08:41

Unter dem thread: "3-tes Geschlecht für TS - nein Danke" sind hierzu ja schon einige einschlägige Gedanken kundgetan worden, die es noch weiterzuführen gilt.
Dabei ist bislang schon klargeworden, daß es für ein gutes passing kein Patentrezept gibt! Es hat zunächst mal überhaupt nichts mit Geschlechts-Stereotypen zu tun, vielmehr steht am Anfang die Selbsterforschung und die draus erwachsene Selbsterkenntnis: wer bin ich, was macht mich von meinem zentralen Wesenskern her gesehen aus?
Ich persönlich habe ein sehr gutes Erinnerungsvermögen, das bis in meine früheste Kindheit zurückreicht. So habe ich Erinnerungen. die ins Alter von deutlich unter zwei Jahren zurückreichen, und damit einhergehend eine Bewußt-Werdung meiner Wesensart. Dies war für mich schon immer eine faszinierende Herausforderung, zumal ich als Kleinkind auch schon ein Gespür dafür hatte, daß das, was mich von meinem zentralsten Wesenskern ausmacht, auf das Ärgste von "Außen" in seiner Existenz bedroht war. In Folge dessen habe ich sehr früh gelernt, dem in mich Hineinhorchen in einem geschützten Raum, ungestört von "Außen" nachgehen zu können. Das ist die Welt der "inneren Immigration", der inneren Monologe, dem Ausleben-Können von authentischen Empfindungen und Gefühlen, mit denen ich Gott-sei-Dank zeitlebens im reinen gewesen bin!.
Wahrscheinlich lassen sich diese inneren Vorgänge und Strukturen nie ganz nach außen abschotten, und so wuchs ich in meiner frühen Kindheit, bis etwa zum Alter der Vorpubertät ganz selbstverständlich integriert im Kreise meiner etwa gleichaltrigen Freundinnen auf, wobei wir allerdings bisweilen auch durchaus gemeinsam mit den Jungen spielten und etwas unternahmen.
Auch wenn ich in meiner Kindheit "selbstverständlich" keine Mädchenkleider etc. trug, und mich diesbezüglich auch nicht verbal "geoutet" habe, war für alle Kinder "klar", daß mit mir "alles seine Richtigkeit hatte", und ich auch diesbezüglich niemals Gegenstand von Anstoßnahme, Gespött oder Ausgrenzung geworden bin.
Instinktiv zog ich mich allerdings dann etwa im Alter von 10 Jahren zurück ins (Schecken-)Haus, und vergrub mich ins Bücherlesen.
Das Haus als Schutzrum war für mich im weiteren auch durch die schwierige Zeit der traumatisch-falschen Pubertät, die ich durchleben mußte, der Hort des seelischen Auftankens in meinem Rückzugsraum.
Als ich dann schließlich mit der Erreichen der Volljährigkeit (damals mit 21 Jahren) mein verbales "Outing" vornahm, lief dies im Nachhinein gesehen weitgehend "reibungslos". Hierzu trug insbesondere die Unterstützung durch meine Eltern und die engere Familie ebenso bei, wie der völlig problemlos verlaufene "Rollenwechsel", den ich von heute auf morgen vornahm, und wo es fortan nicht ein einziges Mal eine mißbilligende oder verstörte Reaktion meiner neuen Umwelt gegeben hat.
Den Grund hierfür sehe ich in der von mir seit frühster Kindheit verspürten und eifrig erforschten Wesensart und der zeitlebens gelebten Authentizität. Ich bin davon überzeugt, daß Äußerlichkeiten (Kleidung, Styling etc.) dagegen nebensächlich sind, denn diese können keine individuelle und echte "Ausstrahlung" ermöglichen.
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Re: Was ist ein gutes "passing"?

Beitragvon Lotty » 15. Mai 2017, 12:07

Die Erinnerung an meine Kindheit sind wesentlich dünner gesät. Ich kann mich aber ganz deutlich erinnern, dass ich mein Genital, eigentlich den ganzen Körper, solange ich denken kann als unpassend empfand. Von meinem Vater hatte ich vor kurzen erfahren, dass es meinen Eltern schon immer klar war, das ist kein richtiger Junge, obwohl sie sich viel Mühe gegeben haben einen aus mir zu machen.

Ich hatte keine Partnerschaft, nur eine kurze mit 16 oder so auch mein Beruf erforderte es nicht mich männlich zu benehmen und insofern hatte ich das Glück so sein zu können wie ich war. Ich hatte eine Liebe zu Frauenkleidung, die ich aber erst sehr viel später selber getragen hatte. Mich haben Dekolletés gereizt aber nicht sexuell erregt. Ich fand mich eigentlich total hässlich obwohl ich ansich ein hübsches Kerlchen war. Mein Problem war, dass der Körper nicht stimmte. Das bemerkte ich als ich mich mit Brustprothesen im Spiegel sah.

Rückwirkend von heute war ich immer Mädchen, später eine Frau. Gelegentlich hörte ich auch, dass ich mir keine Mühe geben bräuchte, als Mann würde ich sowieso nicht rüber kommen. Meine ganze Art passte einfach nicht. Auch wurde mir immer mit einer gewissen Unsicherheit/Unfreundlichkeit entgegen getreten. Das änderte sich jedoch schlagartig als ich äußerlich als Frau auftrat. Lange irritierte mich das, andere berichteten von den Schwierigkeiten und bei mir war es genau umgekehrt. Mein optische Passing ist nicht so toll, dennoch werde ich als Frau behandelt, fremde Männer lassen mir den Vortritt und grüßen freundlich. Böse Worte oder schräge Blicke kenne ich nicht.

Liebe Grüße
Lotty Maria
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Re: Was ist ein gutes "passing"?

Beitragvon tilly » 15. Mai 2017, 15:18

Hallo,

ich denke auch, dass Passing weit mehr ist, als nur die reine Optik.
Es ist eine Mischung aus vielen Details, natürlich Optik, aber auch Sprache, Mimik und Gestik, sowie geschlechtstypische Handlungsmechanismen.
Aber der Aspekt der inneren Stimmigkeit ist nicht zu unterschätzen!
So ist der Hinweis darauf von Seerose sehr wichtig.
Denn wie so oft, die richtige Mischung macht es aus, und die muss nicht bei allen gleich sein!

Mit liebem Gruß Tilly
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Re: Was ist ein gutes "passing"?

Beitragvon Selfmademan » 16. Mai 2017, 11:53

seerose hat geschrieben:So habe ich Erinnerungen. die ins Alter von deutlich unter zwei Jahren zurückreichen

Laß dich knutschen Seerose! :umarm: Bin ich also doch nicht verrückt. Mich hat man immer doof angeschaut wenn ich sagte, daß ich Erlebnisse erinnere, die noch vor meinem 3. Lebensjahr passiert sind. Auch heute noch werde ich deswegen doof angeschaut.

Thema Passing: Soweit kann ich mich meinen Vorrednern anschließen. Es gibt das optische Passing und es gibt das "Passing zwischen den Zeilen" wie ich es nenne. Wobei mein "Passing zwischen den Zeilen" erst mit zunehmenden optischen Passing authentischer wurde, authentischer mit mir selbst, nicht unbedingt was die Gesellschaft so erwartet hätte. Je mehr sich mein Körper veränderte, desto selbstsicherer wurde ich, wobei mein heutiges Selbstbewußtsein damals noch nicht so ausgereift war. TS-technisches Mobbing und Rumgepöbel verschwand aber tatsächlich erst mit fortschreitendem optischen Passing. Verhaltenstechnisch bin ich immer aufgefallen, damals "als Frau zu männlich" und heute als Kerl zu weiblich, daran ändert auch mein Selbstbewußtsein nichts. Aber TS-technisch werde ich in Ruhe gelassen. Man vermutet eher ich sei schwul. (Ich binde niemandem meine sexuelle Orientierung auf die Nase, geht keine Sau was an!) Und daher bin ich *für mich* zu dem Schluß gekommen: "Wenn du optisches Passing hast, wirst du TS-technisch vom Pöbel in Ruhe gelassen" und das ist *mir* wichtiger als alles andere. Ich lege eh sehr viel Wert auf meine Optik. Je authentischer ich optisch rüberkomme, desto mehr ruhe ich in mir selbst.
V.T. pen phis! Tok narok.
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